Sicherheitseinbehalt - unwirksame AGB
Veröffentlicht von Rechtsanwalt Dr. J.-E. Fischer in Baurecht · Sonntag 02 Nov 2025 · 23:15
Tags: Sicherheitseinbehalt, Werklohn, AGB, Klausel, Gewährleistungseinbehalt, Gewährleistung, Mängelrechte
Tags: Sicherheitseinbehalt, Werklohn, AGB, Klausel, Gewährleistungseinbehalt, Gewährleistung, Mängelrechte
a) Gesetzliches Leitbild: Grundsätzlicher Anspruch auf Werklohn nach Abnahme, § 641 Abs. 1 BGB
§ 641 Abs. 1 BGB enthält das gesetzliche Leitbild, dass die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten ist. Damit endet mit der Abnahme die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers und ihm steht der gesamte Werklohn zu.
b) BGH, Urteil vom 30.03.2017, Az. VII ZR 170/16
Unwirksame Klausel:
„Die Parteien vereinbaren – unabhängig von einer Ausführungsbürgschaft – den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber iHv 5 % der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung einschließlich Schadensersatz und die Erstattung von Überzahlungen.
Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen; frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen.“
Begründung des BGH:
Die getroffene Regelung benachteiligt die Kl. als Auftragnehmerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Das ergibt sich jedenfalls aus der Einschränkung, dass eine Ablösungsmöglichkeit bezüglich des Sicherheitseinbehalts frühestens nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlenden Leistungen besteht. Diese Einschränkung ist so weitreichend, dass ein angemessener Ausgleich zu den mit dem Sicherheitseinbehalt für den Auftragnehmer verbundenen Nachteilen nicht mehr zugestanden wird.
Die Frage, ob im Abnahmeprotokoll festgestellte Mängel vollständig beseitigt sind, kann Gegenstand langwieriger Kontroversen sein, die sich über die Dauer der Verjährungsfrist für die Mängelansprüche hinziehen können. Jeder diesbezügliche Streit kann zur Blockade der Ablösungsmöglichkeit führen, so dass es dann bei dem Sicherheitseinbehalt und den mit diesem für den Auftragnehmer verbundenen Nachteilen bleibt. Entsprechendes gilt bezüglich etwaiger im Abnahmeprotokoll als fehlend festgestellter Leistungen.
c) OLG Oldenburg, Urteil vom 27.08.2013, Az. 2 U 29/13
Unwirksame Klausel:
„Die Prüfung der Schlussrechnung erfolgt nach Abnahme der gesamten mängelfreien Leistung. Die festgestellte Rechnungssumme einschließlich Mehrwertsteuer wird zu 95 % ausbezahlt. Die Ausbezahlung des 5 %igen Sicherheitseinbehalts erfolgt nur gegen Vorlage einer unbefristeten Bankbürgschaft einer anerkannten deutschen Bank oder Versicherung und mängelfreier Abnahme der Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn. (…) Vom AG wird eine förmliche Abnahme gefordert. Sie kann nicht ersetzt werden durch eine andere Art der Abnahme, insbesondere nicht durch Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung oder durch die Benutzung. Die Abnahme der vollständigen Leistungen des AN durch den AG erfolgen grundsätzlich mit Abnahme und Übergabe des gesamten Bauobjektes durch bzw. an den Bauherrn.“
Begründung des OLG Oldenburg:
Bei den in Rede stehenden Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Werkunternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Vereinbarung eines Sicherheitseinbehaltes von 5 % in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in einen Vertrag über Bauleistungen einbezogen sind, führt nur dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er den Werklohn nicht sofort ausbezahlt erhält, das Bonitätsrisiko des Bestellers für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und ihm die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird. Ein solcher Ausgleich kann dadurch geschaffen werden, dass dem Werkunternehmer das Recht eingeräumt wird, den Sicherheitseinbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft abzulösen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16.06.2009, Az. XI ZR 145/08; BGH, Beschluß vom 24.05.2007, Az. VII ZR 210/06; BGH, Urteil vom 13.11.2003, Az. VII ZR 57/02; BGH, Urteil vom 05.06.1997, Az. VII ZR 324/95). Wenn dieses Recht zur Ablösung durch eine Bürgschaft aber wiederum dadurch über einen unter Umständen langen Zeitraum vereitelt wird, dass es an den durch den Werkunternehmer nicht beeinflussbaren Zeitpunkt der Abnahme des Gesamtbauvorhabens durch den Bauherrn geknüpft wird, kann die Möglichkeit einer Bürgschaftsgestellung ihre Ausgleichsfunktion nicht mehr in hinreichendem Maße erfüllen. Der Unternehmer hat auf die Faktoren, welche eine Fertigstellung des Gesamtbauvorhabens und dessen mängelfreie Abnahme verzögern können, keinen ausreichenden Einfluss.
d) OLG Köln, Urteil vom 05.04.2012, Az. 7 U 195/11
Unwirksame Klausel:
„Der Sicherungseinbehalt wird erst ausgezahlt, wenn der Auftraggeber des Generalunternehmers für das vom Subunternehmer hergestellte Werk die Vergütung an den Generalunternehmer gezahlt hat und seinerseits keinen Sicherungseinbehalt vorgenommen hat."
Begründung des OLG Köln:
Die in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Generalunternehmers enthaltenen Regelungen des Sicherheitseinbehaltes sind gem. § 307 BGB unwirksam, weil die Höchstdauer für den Einbehalt nicht bestimmt ist (vgl. im Grundsatz zur Notwendigkeit BGH, Urteil vom 10. 4. 2003 - VII ZR 314/01). Ganz im Gegenteil sieht die Klausel vor, dass der Sicherheitseinbehalt ausgezahlt wird, wenn der Auftraggeber des Generalunternehmers für das vom Nachunternehmer hergestellte Werk die Vergütung an den Generalunternehmer gezahlt hat und seinerseits keinen Sicherungseinbehalt vorgenommen hat.
Unerheblich ist, dass der Sicherheitseinbehalt „vorzeitig“ bei Abnahme durch den Bauherrn bzw. fehlendem Sicherheitseinbehalt durch den Bauherrn auszuzahlen sei, da es in jedem Falle an der notwendigen Bestimmung der Höchstdauer fehlt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine zeitliche Befristung der Bürgschaft gem. § 17 Abs. 4 Hs. 2 VOB/B nicht zulässig ist, weil es hier um die zeitliche Bestimmung des Sicherheitseinbehaltes, der durch eine unbefristete Bürgschaft im Rahmen der Sicherungsabrede ablösbar ist, geht.
e) BGH, Urteil vom 28.07.2011, Az. VII ZR 207/09
Unwirksame Klausel:
„Zur Sicherung der vertragsgemäßen Abwicklung der Leistungen nach der Abnahme, insbesondere der Gewährleistung, wird ein Sicherungseinbehalt in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme vereinbart. Der Einbehalt kann durch Stellung einer Bürgschaft abgelöst werden. In der Bürgschaft muss auf die Einrede der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und Vorausklage gemäß den §§ 770, 771 BGB, auf die Einrede gemäß § 768 BGB sowie auf das Recht gemäß § 776 BGB vom Bürgen verzichtet werden.“
Begründung des BGH:
Eine in einem VOB-Vertrag enthaltene Klausel des Auftraggebers, mit der "zur Sicherung der vertragsgemäßen Abwicklung der Leistungen nach der Abnahme, insbesondere Gewährleistung", eine Sicherung von 5 % der Abrechnungssumme vereinbart wird und Bürgschaften unter Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB auszustellen sind, ist durch diese Kombination unwirksam.
Dem Unternehmer steht bei Abnahme des Werks die Zahlung des Werklohns zu. Um diese Liquidität zu bekommen, müsste er die Bürgschaft mit Einredeverzicht stellen. Das ist kein angemessener Ausgleich, weil der Bürge die dem Auftragnehmer zustehenden Einreden, die eine sofortige Auszahlung des so erlangten Werklohns an den Auftraggeber vermeiden können, nach der Klausel nicht erheben können soll, und so durch die Rückbelastung des Auftragnehmers diesem jedenfalls vorübergehend die Liquidität zu Unrecht wieder entzogen werden könnte (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az. XI ZR 145/08, Rn. 26). Zahlt der Bürge an den Auftraggeber, wird dem Auftragnehmer zudem erneut das Insolvenzrisiko überbürdet.
f) BGH, Versäumnisurteil vom 16.06.2009, Az. XI ZR 145/08
Unwirksame Klausel:
„Sämtliche selbstschuldnerische Bankbürgschaften müssen den Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage (§§ BGB § 768, BGB § 770, BGB § 771 BGB) und den Verzicht auf das Recht der Hinterlegung enthalten. Sie müssen weiterhin unbedingt und unbefristet sein. Der Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche beträgt 5% der Schlussabrechnungssumme zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Sicherheit kann durch Stellung einer Bürgschaft abgelöst werden. Der Sicherheitseinbehalt/die Bürgschaft wird auf schriftliches Verlangen nach dem vereinbarten Gewährleistungszeitraum zurückgegeben.“
Begründung des BGH:
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Werkbestellers, die vorsieht, dass der Werkunternehmer einen Sicherheitseinbehalt von 5% der Schlussabrechnungssumme nur gegen Stellung einer Bürgschaft ablösen kann, die den Verzicht auf sämtliche Einreden des § 768 BGB enthält, benachteiligt den Werkunternehmer unangemessen und ist nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) unwirksam. Wird nämlich die Stellung einer solchen Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt, so liegt kein angemessener Ausgleich vor. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern birgt nämlich die Gefahr, dass dem Auftragnehmer über den Regressanspruch des Bürgen Liquidität für längere Zeit entzogen wird, da Gegenrechte erst in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 9.12.2004, Az. VII ZR 265/03).
In den Fällen, in denen formularmäßig eine Gewährleistungsbürgschaft mit umfassendem Einredeverzicht zur Ablösung eines Sicherungseinbehalts gefordert wird, ist die Sicherungsvereinbarung vollständig unwirksam, da die betreffende Klausel nicht teilbar ist und auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt.
g) BGH, Urteil vom 20.10.2005, Az. VII ZR 153/04
Unwirksame Klausel:
„Für die Dauer der Gewährleistung werden 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme einbehalten. Der Einbehalt wird auf ein eigenes Verwahrgeldkonto des Auftraggebers genommen und nicht verzinst. Dem Auftragnehmer steht es frei, die Zahlung des einbehaltenen Betrages gegen Übergabe einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die Rechte des § 776 BGB einer leistungsfähigen Bank oder Kautionsversicherung zu erlangen. Die Gewährleistungsbürgschaft muss die Verpflichtung des Bürgen zur Zahlung auf erste Anforderung enthalten.“
Begründung des BGH:
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Auftraggebers, nach deren Inhalt er einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vornehmen darf, der lediglich durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist unwirksam. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern als einziges Austauschmittel auch dann kein angemessener Ausgleich für den Sicherheitseinbehalt ist, wenn die Klausel von einem öffentlichen Auftraggeber gestellt wird, bei dem das Insolvenzrisiko nicht besteht. Die Klausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, weil er im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme die damit verbundenen Nachteile, insbesondere das Liquiditätsrisiko, zu tragen hat. An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn die Klausel vorsieht, dass der Einbehalt auf ein Verwahrgeldkonto genommen wird. Damit wird der Einbehalt lediglich gesondert verwahrt.
h) BGH, Urteil vom 09.12.2004, Az. VII ZR 265/03
Unwirksame Klausel:
„BVB: 6.2 Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einschließlich Schadensersatz und für die Erstattung von Überzahlungen werden fünf Prozent der Auftragssumme einschließlich eventueller Zusatzaufträge einbehalten. Der Auftragnehmer kann stattdessen eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft nach dem Muster des Auftraggebers stellen. (Bürgschaftsurkunde im Anhang)
6.3 …Für die Rückgabe der Bürgschaftsurkunden gilt Nr. 21- ZVB”.
Das Muster des Auftraggebers sah eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern vor. In Nr. 21-ZVB wurde die Rückgabe der Gewährleistungssicherheit wie folgt geregelt:
„21.2 Urkunden über Gewährleistungsbürgschaften werden auf Verlangen zurückgegeben, wenn die Verjährungsfristen für Gewährleistung einschließlich Schadensersatz abgelaufen und die bis dahin erhobenen Ansprüche auch auf Erstattung von Überzahlungen erfüllt worden sind. …”
Begründung des BGH:
Umfasst die Sicherungsvereinbarung auf Grund ihrer textlichen Gestaltung das als Anhang beigefügte Bürgschaftsmuster, gehört das Muster zum Inhalt der Sicherungsvereinbarung. Dann besteht keine Unklarheit darüber, mit welcher Art der Bürgschaft der Sicherheitseinbehalt vom Auftragnehmer ersetzt werden kann. Aus dem Regelungszusammenhang der Klausel und dem Muster, das als Anhang Bestandteil des Vertrags ist, ergibt sich, dass eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft auf erstes Anfordern gemeint ist.
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines öffentlichen Auftraggebers, die vorsieht, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, hat der BGH bereits für unwirksam erachtet (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2004, Az. VII ZR 453/02)
Eine derartige Klausel benachteiligt den Auftragnehmer deshalb unangemessen, weil der Auftragnehmer im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme das Liquiditätsrisiko zu tragen hat. Dem Auftragnehmer wird durch den Rückgriff des Bürgen, der aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wird, Liquidität entzogen. Solange der öffentliche Auftraggeber einen zu Unrecht erhaltenen Betrag nicht zurückzahlt, ist der Auftragnehmer in seinem Kreditrahmen beschränkt. Er muss seinen Rückforderungsanspruch gerichtlich geltend machen und trägt damit die Last der Prozessführung gegen eine Partei, die ihrerseits den Prozess gerichtskostenfrei führen kann.
Eine derartige Klausel kann auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft abzulösen (vgl. BGH, Urteil vom 8. 3. 2001 - IX ZR 236/00; BGH, Urteil vom 22. 11. 2001, Az. VII ZR 208/00).
i) OLG München, Urteil vom 03.02.2004, Az. 9 U 3458/03
Unwirksame Klausel:
„Die Parteien vereinbaren den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer i. H. v. 5 % der Brutto-Schlussrechnungssumme für die Dauer der Gewährleistungsfrist. Der Sicherheitseinbehalt wird jedoch gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank Zug um Zug gegen Vorlage der Gewährleistungsbürgschaft an den Auftragnehmer ausbezahlt. Die Bürgschaft muss den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit enthalten. Die Bürgschaft muss auf erste Anforderung hin fällig und unter Ausschluss der Hinterlegungsmöglichkeit gegeben werden. Kosten der Bürgschaft gehen zu Lasten des Auftragnehmers. Für die Gewährleistungsbürgschaft sind die Vordrucke des Auftraggebers zu verwenden.“
Begründung des OLG München:
Nach dem Gesetz hat der Auftragnehmer nach der Abnahme Anspruch auf den vollen Werklohn. Andererseits ist das Interesse des Auftraggebers, während der Gewährleistungszeit eine Sicherheit für etwaige Gewährleistungsansprüche zu haben, schutzwürdig. Sehen AGB allerdings vor, dass 5 % der Vertragssumme für die Dauer der Gewährleistung einbehalten werden, so setzt damit der Auftraggeber als Verwender der AGB seine eigenen Interessen missbräuchlich durch, ohne die Interessen des Auftragnehmers hinreichend zur berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern stellt keinen angemessenen Ausgleich dar.
Dies gilt umso mehr, soweit der Sicherheitseinbehalt im konkreten Fall besonders belastend wirkt, weil die Gewährleistungsfrist auf 6 Jahre erhöht ist und auch nicht mit der Abnahme, sondern erst mit dem nächsten Monatsersten beginnt, und weil eine Verzinsung ausgeschlossen wird.
j) BGH, Urteil vom 02.03.2000, Az. VII ZR 475/98
Unwirksame Klausel:
„Der Auftraggeber bzw. dessen Bevollmächtigter behält sich das Recht vor, 5 % der Gesamtsumme des Auftrags bis zum Ablauf der Garantiezeit als Sicherheit für die Gewährleistung einzubehalten. Die Bestimmungen des § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 und 3 und Nr. 3 VOB/B sind ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gewährleistungseinbehalt ist durch eine Bürgschaft nach dem Muster des Auftraggebers ablösbar.“
Begründung des BGH:
Wegen des Ausschlusses des § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 3 VOB/B muss der Auftraggeber einen einbehaltenen Betrag nicht mitteilen und ihn nicht binnen 18 Werktagen nach Mitteilung auf ein Sperrkonto bei dem vereinbarten Kreditinstitut einzahlen. Dem Auftragnehmer ist verwehrt, bei Nichteinzahlung des einbehaltenen Betrags nach angemessener Fristsetzung die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrags ohne Sicherheitsleistung zu verlangen. Über das Recht des Auftragnehmers, den Einbehalt durch Hinterlegung von Geld zu ersetzen, wird nichts ausgeführt. Vielmehr legt der nachfolgende Hinweis über die Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft nahe, dass nur diese Sicherheitsleistung dem Auftragnehmer als Ersetzungsalternative vorbehalten bleiben sollte.
Mit der Formulierung, der „Gewährleistungseinbehalt sei durch eine Bürgschaft nach dem Muster des AG ablösbar", bleibt anders als bei § 17 Nr. 4 VOB/B unklar, mit welcher Art der Bürgschaft der Gewährleistungseinbehalt vom Auftragnehmer ersetzt werden kann. Damit kann etwa gemeint sein eine Bürgschaft mit der Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB, eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (vgl. für den Anwendungsbereich der § 17 Nr. 4 VOB/B) oder eine Bürgschaft auf erstes Anfordern. Dadurch ist die Vertragsklausel intransparent. Der Auftragnehmer kann aus ihr nicht entnehmen, mit welcher Bürgschaft er den Gewährleistungseinbehalt ablösen kann. Die Formulierung nach "Muster des AG" ist im Rahmen der AGB-rechtlichen Kontrolle dahin zu verstehen, dass eine bei Kaufleuten im Baugewerbe nicht unübliche Bürgschaft auf erstes Anfordern gemeint ist.
Damit verlangt der Auftraggeber im Zusammenhang mit dem abzulösenden Gewährleistungseinbehalt von 5 % eine unzulässige Sicherheitsleistung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Juni 1997, Az. VII ZR 324/95) benachteiligt eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme eines Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, den Unternehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen, wenn ihm kein angemessener Ausgleich zugestanden wird. Das dem Unternehmer eingeräumte Recht, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, ist kein angemessener Ausgleich.
k) OLG München, Urteil vom 15.10.1991, Az. 9 U 2951/91
Unwirksame Klausel:
„Als Sicherheitseinbehalt bleiben 5 % für die Dauer der Gewährleistungsfrist einbehalten, ablösbar gegen unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische und auf erstes Anfordern auszuzahlende Bankbürgschaft, wobei die Bank nicht berechtigt sein darf, sich durch Hinterlegung zu befreien.“
Begründung des OLG München:
Der formularmäßige Bareinbehalt von 5 % der Abrechnungssumme zwingt dagegen den Auftragnehmer dazu, eine ganz erheblich lange Zeit (hier: 5 Jahre) auf die volle Entlohnung für seine erbrachten Leistungen zu warten, und während dieser Zeit das Risiko der Insolvenz seines Auftraggebers zu tragen. Das verstößt gegen den in § 641 BGB enthaltenen Grundsatz, dass Verträge Zug-um-Zug abzuwickeln sind und dass die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers mit der Abnahme endet. Selbst wenn im vorliegenden Fall eine Verzinsung des Sicherheitseinbehalts in Betracht kommen könnte, weil die Bedingungen der Beklagten eine Verzinsung nicht ausschließen und weil die Einbehaltsvereinbarung keine Stundung des Werklohnes darstellt und deshalb § 641 Abs. 2 BGB eingreift, führt die beanstandete Klausel auf lange Zeit für den vorleistungspflichtigen Auftragnehmer zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Benachteiligung und verstößt damit gegen den im Gesetz enthaltenen gerechten Ausgleich.
l) OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.1988, Az. 7 U 189/87
Unwirksame Klausel:
„Nach Prüfung der Schlussrechnung bleiben 5 % des anerkannten Rechnungsbetrages als Garantie auf 2 Jahre stehen und werden mit 5 % verzinst. Nur in besonderen Fällen können andere Sicherheiten, z. B. Bankbürgschaften, gestellt werden. Die Entscheidung darüber liegt allein im Ermessen des Auftraggebers.“
Begründung des OLG Karlsruhe:
Es ist ein Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, dass der Werkunternehmer die ihm zustehende Vergütung auch erhält und mit ihr arbeiten kann. Demgegenüber führt die von der Beklagten vorgesehene Regelung dazu, dass sie fremdes Geld ohne Kosten in Anspruch nehmen und damit wirtschaften kann. Dafür besteht keine sachliche Berechtigung. Nach alledem führt die Vereinbarung eines unverzinslichen Sicherheitseinbehaltes zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Beeinträchtigung und verstößt gegen Treu und Glauben.
m) OLG Zweibrücken, Urteil vom 10.03.1994, Az. 4 U 143/93
Unwirksame Klausel:
„Zur Sicherung etwaiger Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche aus mangelhafter Vertragserfüllung leistet der Auftragnehmer eine Barsicherheit in Höhe von 5 % des Wertes aller ausgeführten Leistungen und Lieferungen. Sie wird von der Schlussrechnung einbehalten und von dem Bauherrn zinslos verwahrt. Ein Jahr nach dem Tag der baupolizeilichen Gebrauchsabnahme ist die Barsicherheit auszuzahlen, wenn der Auftraggeber die Leistung nicht beanstandet hat oder beanstandete Mängel beseitigt sind.“
Begründung des OLG Zweibrücken:
Maßgebend für die Beurteilung sei, dass durch die Regelung abweichend von § 641 Abs. 1 BGB das Insolvenzrisiko unangemessen verlagert wird, weil der Auftragnehmer unter Umständen über einen ganz erheblichen Zeitraum hinweg einen nicht unerheblichen Teil des Werklohns dem Auftraggeber belassen muss. Denn zum einen macht die Vertragsklausel den Lauf der Jahresfrist von einer baupolizeilichen Gebrauchsabnahme abhängig, die nicht mit einer abnahmefähigen Fertigstellung einer Werkleistung übereinstimmen müsse und zum anderen reiche danach bereits jede Mängelrüge aus, um den Beginn der Jahresfrist zu verzögern. Da häufig Streit hinsichtlich der Berechtigung von Mängeln entsteht, wird es in vielen Fällen nicht bei der Jahresfrist verbleiben. Hinzu komme, dass auch die zinslose Verwahrung den Auftragnehmer unangemessen benachteilige. Während zinslose Barsicherheiten dem Auftraggeber (im konkreten Fall eine Wohnungsbaugesellschaft) ganz erhebliche Einnahmen bringen können, geht der Auftragnehmer leer aus.
